Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Europäische Ethnologie

Anton Wilhelm Amo – Biographische Eckdaten

Fundierte biographische Studien zu Anton Wilhelm Amo stammen von dem Vorderasiatischen Archäologen Burchard Brentjes (1976), der Historikerin Monika Firla (2002 & 2012), dem Philosophen Stephen Menn und dem Wissenschaftshistoriker Justin E. H. Smith (Menn / Smith 2020). Das Geburtsjahr Amos konnte bislang nicht geklärt werden. Firla (2002: 59) vermutet ein Geburtsjahr "um 1700". Brentjes (1976: 83) zufolge wurde Amo als Kind aus dem Dorf Nkubeam bei Axim aus Ghana als "Geisel" für den Abschluss eines Handelsvertrags zwischen dem "Löwenstamm" des Dorfes und der Holländisch-Westindischen Gesellschaft nach Europa gebracht; zugleich sollte er in Amsterdam bei seiner Tante leben und eine Ausbildung erhalten. Gemäß den überlieferten Notizen des schweizerischen Schiffsarztes David Henrij Gallandat, der 1753 den inzwischen nach Ghana zurückgekehrten Amo ebendort kennengelernt hatte, soll dieser 1707 von der Holländisch-Westindischen Gesellschaft dem Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel "geschenkt" worden sein (ebd.: 68).

Amo wurde 1708 auf den Namen "Anthon Wilhelm" getauft (Menn / Smith 2020); den Nachnamen "Amo", der aus seiner Muttersprache stammt, führte er seit 1720 (Brentjes 1976: 30). Kammerrechnungen des Hofes aus den Jahren 1717 bis 1720 offenbaren, dass er als sogenannter "Kammermohr" am Hof diente (Menn / Smith 2020: 15); eine Stellung, die laut Firla (2002: 58 f.) einem Lakaien gleichkam.

Ermöglicht durch eine finanzielle Förderung der Herzöge studierte Amo ab 1727 an der Universität Halle (damals Teil des Königreichs Preußen) Philosophie. 1729 bestritt er in der dortigen juristischen Fakultät eine Disputation mit dem Titel "De iure Maurorum in Europa" (Brentjes 1976: 37 & Abb. 7). Die Disputation ist nicht schriftlich überliefert (Firla 2002: 61; vgl. auch Firla 2020b). Laut eines kurzen Berichts über die Disputation hatte Amo das Thema diskutiert, "wie weit den von Christen erkaufften Mohren in Europa ihre Freyheit oder Dienstbarkeit denen üblichen Rechten nach sich erstrecke" (Wöchentliche Hallische Frage= und Anzeigungs=Nachrichten, 28.11.1729, zit. nach Brentjes 1976: 38). Ob Amo in der Disputation den Status von Sklaven lediglich rechtsimmanent zu diskutieren hatte (Firla 2002: 61) oder diese nutzte, um sich für die Abschaffung der Sklaverei und eine vollständige rechtliche Gleichstellung auszusprechen (so z.B. Hamann 2010), kann anhand des Berichts nicht geklärt werden.

1730 immatrikulierte sich Amo an der Universität Wittenberg, wo er noch im selben Jahr den Magister der Philosophie und der Freien Künste erwarb (Brentjes 1976: 43). 1734 promovierte Amo mit der Studie "De humanae mentis apatheia" und erhielt die Zulassung als Magister legens (ebd.: 46). Seit dieser Zeit verwendete er demonstrativ als Zusatz zu seinem Nachnamen die Herkunftsbezeichnung "Guinea-Afer", die er etwa auf die Titelblätter seiner Dissertation und Habilitation drucken ließ (ebd: 47; Firla 2002: 64). Zwei Jahre später wechselte er an die Universität Halle, wo er als Privatdozent lehrte. Dort habilitierte er sich 1738 mit der philosophischen Schrift "Tractatus de arte sobrie et accurate philosophandi" (Brentjes 1976: 51). 1739 wurde er an der Universität Jena als Privatdozent zugelassen (ausführlich zu den Umständen: Menn / Smith 2020: 32 f.). Eine Vorlesungsankündigung aus demselben Jahr ist die letzte Spur seiner Lehrtätigkeit (Firla 2002: 65 f.). Amo erfuhr neben wissenschaftlicher Anerkennung auch rassistische Anfeindung durch zwei Spottgedichte von Johann Ernst Philippi, der dieses unter dem Pseudonym Leberecht Ehrenhold 1747 veröffentlichte (ebd.: 74). Ein Eintrag in einem Jenaer Stammbuch – ein Zitat Epiktets nebst einer Zeichnung einer jungen Frau (Firla 2020a) – aus dem Jahr 1746 belegt, dass sich Amo zu diesem Zeitpunkt noch in der Stadt aufhielt (Firla 2012 & 2017). Laut Firla übersiedelte Amo Anfang 1747 nach Ghana, noch bevor die Spottgedichte veröffentlicht worden waren (ebd.). Dort lebte er, so soll es Gallandat berichtet haben, in der Nähe von Axim "als Eremit und hatte unter den Seinen den Ruf eines Wahrsagers" (zit. nach Brentjes 1976: 68). Sein Todesjahr ist nicht bekannt (Firla 2002: 77).

Amos für das 18. Jahrhundert ungewöhnliche Laufbahn weist ihn als ersten Philosophen afrikanischer Herkunft in Deutschland aus (zur Einordnung des Werks Amos in die philosophischen Debatten seiner Zeit vgl. u.a. Brentjes 1976, Firla 2002, Edeh 2003, Mabe 2007, Ette 2014, Smith 2015, Menn / Smith 2020). Zugleich zeugt sie von der Beteiligung deutscher Herrscher- und Adelshöfe an der Verschleppung afrikanischer Menschen, die sie als Hof- und Kammer-M* in ihre Dienste nahmen.