Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Europäische Ethnologie

Kulturmanagement

 

Es geht also darum, zu erkennen, was man machen und wen man ansprechen muss, damit aus einer Idee eine spannende Veranstaltung wird, die auch noch Spass macht.

Nachdem Kerstin Poehls als Projektkoordinatorin für die Ausstellung Berlin über und unter der Erde für die Schwedische Botschaft gearbeitet hatte und begeistert war, wollte sie bleiben. Jetzt ist sie Kulturreferentin an der Botschaft. Ihre Tätigkeit dort bezeichnet sie bei unserem Gespräch als Kulturmanagement. Studiert hat Kerstin Poehls in Tübingen, Stockholm und Berlin: Europäische Ethnologie (bzw. Empirische Kulturwissenschaft), Skandinavistik und BWL. Anschließend hat sie hier am Institut zu Expertenwissen und kulturellen Codes im Machtfeld der EU promoviert.

Das Interview führte Julia Roßhart.

 

Wo arbeitest Du? Und wie bist Du dazu gekommen?

Ich arbeite seit knapp zwei Jahren als Kulturreferentin in der Schwedischen Botschaft. Nach Ende meines Studiums habe ich dort ein Praktikum gemacht und parallel zu meiner Doktorarbeit immer mal wieder auf Honorarbasis Architekturführungen gemacht, einen Übersetzerworkshops mitorganisiert, Mutterschaftsvertretung als Pressereferentin gemacht und so weiter.

Den Ausschlag dafür, dass ich da fest arbeiten wollte und konnte, gab ein Ausstellungsprojekt, bei dem ich Projektkoordinatorin war: Berlin über und unter der Erde. Ausgangspunkt war der schwedische Architekt Alfred Grenander, der über achtzig der Berliner U-Bahnhöfe gebaut hat – vom Alexanderplatz über den Wittenbergplatz bis zum Bahnhof Krumme Lanke! Es ging um Großstadtleben zu Beginn des 20. Jahrhunderts, um Phantasien von Technisierung und Urbanität; dazu hatte ich Zugang durch mein Studium. Das Ausstellungsprojekt wurde dann immer größer, es gab ein Buch und Stadtführungen, ein Symposium und eine Filmreihe. Das Thema und die Zusammenarbeit im Projektteam haben mir wahnsinnig viel Spaß gemacht.

 

Was ist da deine Aufgabe?

Als eine von vier Ortskräften bin ich der Botschaftsrätin für Kultur zugeordnet. Ich bin diejenige, die dafür sorgt, dass die Veranstaltungen auch funktionieren. Das fängt an bei der gemeinsamen Ideenfindung, bei der konkreten Frage, wer unser Kooperationspartner in Deutschland sein könnte, geht weiter mit Zeitplan und Budget, bis hin zu der Frage, wen wir einladen und an wen wir die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit richten. Also Veranstaltungsorganisation – immer vor dem Hintergrund, dass das Ganze ein Bild von Schweden schafft oder konterkariert oder erweitert.

 

Was siehst Du denn für Verbindungslinien zwischen dem, was du jetzt tatsächlich beruflich machst und deinem Studium?

Was das Praktische angeht – wie organisiert man eine Veranstaltung? –, das habe ich hier am Institut nicht gelernt, und darin sehe ich auch nicht Aufgabe eines wissenschaftlichen Studiums. Dazu gibt es Praktika und die Erfahrungen, die man da sammeln kann. Allerdings habe ich in meinem Studienprojekt gelernt, mit Texten und Autorinnen zu arbeiten, so dass am Ende ein schlüssiger Band entsteht.

Inhaltlich würde man vermuten, dass es auch da nicht so viele Verbindungen gibt, da die Europäische Ethnologie ja versucht, einen eher subversiven Blick auf die Gegenwart zu richten und nicht die offiziellen Erwartungen an Kultur, an Hochkultur, zu reproduzieren. Und man könnte meinen, dass es kaum elitärer geht als in einer Botschaft und dass da alles immer sehr offiziell sein soll. Aber da jetzt im speziellen Fall von Deutschland und Schweden das Bullerbü-Syndrom der Deutschen ins Spiel kommt – eine Vorstellung von Schweden, in der gleichberechtigte Frauen, eine unberührte Natur und ein fortschrittlicher Sozialstaat die Hauptrollen spielen –, komme ich mit dem Kulturverständnis, das in der Europäischen Ethnologie vertreten wird, doch irgendwie weiter. Dann nämlich, wenn es darum geht, etablierte Auffassungen etwas brüchig zu machen und zu überraschen, indem man sagt: „Das ist zwar alles Schweden, aber wir reden hier nicht vom Paradies“. Etwa, wenn es darum geht, Migranten und Migrantinnen der zweiten und dritten Generation als Kulturakteur_innen sicht- und hörbar zu machen. Da geht es z. B. um die Frage, ob sie überhaupt als Kurator_innen, als freie Künstler_innen, als Choreograph_innen und so weiter gehört werden, oder ob sie immer als Vertreter der anderen Kultur wahrgenommen werden. Das ist ziemlich nahe an der Europäische Ethnologie. So arbeiten wir also auch.

Andererseits: Klar, es werden auch solche Traditionen wie Lucia, also die Ankunft der schwedischen Lichterkönigin, von der Botschaft gepflegt.

 

Was musstest Du dir ganz neu aneignen?

Also ich habe neben der Europäischen Ethnologie Skandinavistik und BWL studierte und war damit ganz gut vorbereitet. Was man lernen muss, ist wie man mit Budgets arbeitet. Also, wie kalkuliert man eine Ausstellung mit allen Transporten, Aufbau, Vernissage etc.? Das ist vor allem ein Erfahrungswissen.

 

Wie ist die Arbeit denn verteilt? Bist Du immer für die Finanzierung zuständig?

Nein, man ist immer für ein Thema oder Projekt zuständig und da dann für alles – in Abstimmung mit den Kolleginnen.

 

Willst Du noch irgendetwas loswerden, was bis jetzt noch nicht zur Sprache kam?

Ja, nochmal zur Vorbereitung durch das Studium: Über die Studieninhalte hinaus vermittelt die Europäische Ethnologie ja einen bestimmten Zugang zu und die Neugier auf Themen. Sich nicht abschrecken zu lassen durch große Vokabeln oder Gesten, sondern das Spannende darin zu suchen … .