Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Europäische Ethnologie

Marktforschung

 

Außerdem wurden im Ethnologie-Studium spezielle soft skills vermittelt, die ich als maßgeblich erachte […]

Maria Wronka hat an der Humboldt-Universität Europäische Ethnologie und Neuere Deutsche Literatur studiert und arbeitet heute bei der Gesellschaft für innovative Marktforschung (GIM). GIM ist ein qualitativ arbeitendes Marktforschungsinstitut, mit Nebensitz in Berlin. Maria Wronka hat während ihres Studiums zunächst ein Praktikum bei der GIM gemacht und scheint dort in positiver Erinnerung geblieben zu sein – direkt nach ihrem Studienabschluss 2007 wurde sie als Nachwuchskraft eingestellt. Auf meine Fragen antwortete sie per E-Mail.

Das Interview führte Julia Roßhart.

 

Wo arbeitest Du?

Ich arbeite in der GIM – Gesellschaft für innovative Marktforschung. Die GIM ist eines der führenden qualitativen Marktforschungsinstitute Deutschlands. Unser Haupt-Standort ist Heidelberg, das GIM Netzwerk umfasst jedoch auch die Standorte GIM Berlin, GIM Suisse in Zürich, GIM Russia in Moskau und GIM France in Lyon.

 

Was ist Deine Funktion dort?

Als Studienleiterin bin ich für die Organisation, Durchführung – auch Feldarbeit –, für das Schreiben von Berichten und die Präsentation von Marktforschungsstudien aus den unterschiedlichsten Bereichen verantwortlich; das sind zum Beispiel Produkttests oder Zielgruppenanalysen.

Organisation bedeutet Projektmanagement: Ich stehe in Kontakt zu den Feldstudios, hole Angebote ein, erstelle Kalkulationen etc. Die Feldarbeit wird von uns selbst oder erfahrenen Interviewern unter unserer Supervision durchgeführt. Meistens machen wir Gruppendiskussionen und Einzelinterviews von etwa eineinhalb bis zwei Stunden Länge. Anschließend werden die Ergebnisse je nach Zielgruppe ausgewertet und in einem Bericht zusammengefasst, der dann beim Kunden präsentiert und diskutiert wird.

 

Wie sieht denn Dein Arbeitsalltag aus?

Im konkreten Arbeitsalltag organisiere ich derzeit viel, zum Beispiel führe ich demnächst zusammen mit Kunden Inhome-Interviews durch, das heißt, wir interviewen die Zielgruppe in ihrem natürlichen Habitat: dem Zuhause.

Normalerweise kümmern wir uns um mehrere Studien gleichzeitig, die jeweils in unterschiedlichen Projektphasen sind. Das bedeutet, dass ich morgen einen Bericht präsentiere, die nächsten Tage Gruppen moderiere, wenig später wieder an einem neuen Studienangebot schreibe bzw. neue Projekte organisiere.

 

Welche Verknüpfungen siehst Du zwischen dem Ethnologie-Studium und deiner Berufspraxis?

Zum einen habe ich im Studium der Europäischen Ethnologie die qualitativen Methoden erlernt, welche die Basis meiner derzeitigen Arbeit darstellen, sowie analytische Fähigkeiten, die etwa für das Verfassen von Berichten sehr wichtig sind. Außerdem wurden im Ethnologie-Studium spezielle soft skills vermittelt, die ich als maßgeblich erachte: der sogenannte ethnologische Blick, also das Interesse, die Aufgeschlossenheit und Unvoreingenommenheit gegenüber anderen Menschen.

In meinem Berufsalltag habe ich mit einer großen Spanne an Personenkreisen zu tun: Ich führe Gespräche mit Personen mit Migrationshintergrund und muss mich auch in Milieus bewegen, mit denen ich üblicherweise wenig persönlichen Kontakt habe wie zum Beispiel Senioren, Jugendliche oder Working Class.

Auch viele theoretische Themen des Studiums haben mich für die Inhalte meiner derzeitigen Arbeit sensibilisiert: Status und Machtverhältnisse, Stil und Distinktion, Migrationsthemen etc. Ein gesteigertes Bewusstsein für gesellschaftliche, soziale und sozialpsychologische Zusammenhänge ist für meine Arbeit unverzichtbar.

Allerdings ist anzumerken, dass auch andere Wege zum Tätigkeitsfeld des Marktforschers führen, also etwa die Psychologie, die Sozialwissenschaften oder die Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften. Da wir ein interdisziplinäres Team sind, sind unsere fachlichen Kompetenzen weit gestreut, allerdings bringt man als Ethnologe/in in der Regel ein weniger umfangreiches Vorwissen bezüglich der Marktforschung mit als beispielsweise ein Kommunikationswissenschaftler.

 

Was musstest Du Dir ganz neu aneignen?

Neu aneignen musste ich mir Grundlagenkenntnisse der Marktforschung, insbesondere und vertiefend im Bereich Methoden, allerdings auch allgemeine Kenntnisse im Bereich Wirtschaft. Wichtig sind auch Präsentations- und Moderationstechniken, Projektmanagement und vertiefte Fremdsprachenkenntnisse; da sind die Möglichkeiten im Rahmen der Europäischen Ethnologie und der Hochschulausbildung leider oft unzureichend.

 

Welche Interessen und Fähigkeiten sind Deiner Meinung nach besonders wichtig für deine Arbeit?

Neben den bereits genannten Fähigkeiten, die ich mir mehr oder weniger neu aneignen musste, sind Belastbarkeit und Dienstleistungsorientierung wichtig. Eine große Rolle spielen außerdem Analysefähigkeit, ethnologische Beobachtungsgabe und Interesse an anderen Menschen und Milieus.