Netzwerk - Antidiskriminierungsdaten (Equality Data)
Förderzeitraum: März 2022 - Februar 2025; Netzwerkkoordination: Dr. Anne-Kathrin Will und Dr. Linda Supik; Studentische Mitarbeit: Sara Sokočević
Das Netzwerk Antidiskriminierungsdaten lud Ende September 2023 zu einem Online-Workshop ein, um am geplanten Handbuch zu arbeiten. Über drei Tage hinweg haben Netzwerk-Mitglieder aus dem akademischen und zivilgesellschaftlichen Bereich erste Kapitelentwürfe für das entstehende Handbuch zur Erfassung von Antidiskriminierungsdaten im Bereich Rassifizierung mit internationalen Expert:innen und den Senior Advisers des Netzwerks diskutiert. In intensiven Gesprächen mit Ann Morning (New York University), Anthony Heath (Oxford University), Jennifer Leemann (George Mason University, Virginia), Nancy Lopez (University of New Mexico), Patrick Simon (INED, Paris) und Wendy Roth (University of Pennsylvania) wurden u.a. Fragen zur Notwendigkeit und Kontextualität von Kategorien, zur Praktikabilität der Befragung von selbstwahrgenommener Fremdwahrnehmung, zur Relevanz von Sprache im Diskriminierungskontext, zu möglichen Leitlinien für diskriminierungssensible und intersektionale
Datenerhebungen, sowie zu Erkenntnissen aus bereits existierenden Studien und ihren Erhebungsmethoden besprochen (z.B. NEPS, Afrozensus und Beispiele von Falldokumentationen in der Antidiskriminierungsberatung). Die Empfehlungen, Erfahrungsberichte und kritischen Hinweise der internationalen Expert:innen sind von größtem Wert für das entstehende Handbuch zu Antidiskriminierungsdaten.
Bei dem Treffen der Teilgruppe „Geschichte von Kategorien“ Anfang Dezember 2022 wurde das Thema Sprache im Forschungskontext von Astrid Adler aufgegriffen und mit einem Überblick über die historische Genese der verwendeten Kategorien, spezifischen Fragenformulierungen und Datendarstellungen in Deutschland und den USA im frühen 20. Jahrhundert vertieft. Außerdem stellte Yudit Namer stellvertretend für Judith Wenner ein Paper zu etablierten Kategorien in der epidemiologischen Forschung vor und stellte diese in den Kontext der Geschichte der deutschen Migrationsgeschichte. Sie beschrieb mögliche Konsequenzen, die mit der Verwendung gängiger migrations-bezogener Kategorien im Gesundheitswesen einhergehen können. Darüber hinaus beschäftigten sich Linda Supik und Thomas Kemper in ihrem Beitrag mit der deutschen Schulstatistik und zeigten dabei eine deutliche länderübergreifende Uneinheitlichkeit in den verwendeten Items und Fragetools auf. Sie konstatierten bis heute anhaltende Repräsentationslücken in Bezug auf ganze Staatsangehörigkeitsgruppen von Abgänger*innen von Schulen in Deutschland. Anne-Kathrin Will thematisierte in ihrem Beitrag sogenannte „natio-ethno-kulturelle“ Kategorien im deutschen Zensus und Mikrozensus und gab dabei einen Überblick über (teils politisch motivierte) Wandlungen in den Erhebungs- und Auswertungsverfahren vom späten 19. Jahrhundert bis zur heutigen Zeit. Darüber hinaus gab Tino Plümecke einem Input zur historischen Kritik von geisteswissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen sowie lebenswissenschaftlichen Akteuren an race- bzw. „Rasse“-Konzepten. Er konnte aufzeigen, dass Kritiken nicht neu sind und eine kritische sowie interdisziplinäre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Begriffen weiterhin notwendig ist, um rassifizierte Diskursstrukturen zu durchbrechen.
Die Teilgruppe „Item-Entwicklung“ des Netzwerks Antidiskriminierungsdaten traf sich im November 2022. Anne-Kathrin Will beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit der Frage, weshalb die Kategorie ‚Migrationshintergrund‘ aufgegeben und Migration stattdessen über die Geburt im Ausland erfasst werden soll. Sie stellte dar, dass zur Erhebung des Risikos rassistisch diskriminiert zu werden Selbstbezeichnungen sowie selbstwahrgenommene Fremdzuschreibungen besser geeignet sind als migrationsbezogene Fragen. Daran anlehnend ging Steffen Beigang näher auf die zuletzt genannten Punkte ein, indem er die offene Erfassung von ‚Selbstbeschreibung‘ und ‚Fremdzuschreibung‘ in der Studie "Diskriminierungserfahrungen In Sachsen" vorstellt. Merih Ateş präsentierte Items zu Selbst- und Fremdzuschreibung von rassifizierten Bevölkerungsgruppen, die für die NaDiRa-Auftaktstudie entwickelt und bereits angewendet wurden. Damit stellte er ein weiteres Praxisbeispiel sowie mögliche Ansatz- und Erweiterungspunkte für die Arbeit unseres Netzwerks vor. Weitere Beiträge betrachteten Sprache im Kontext von Fragenformulierungen. Dabei beleuchtete Astrid Adler das Thema aus einer sprachwissenschaftlichen Perspektive, während Mustafa Coban Ergebnisse aus einem Experiment zur Verwendung der einfachen Sprache in der Rekrutierung und Befragung von Zielpersonen aus unterrepräsentierten Bevölkerungsteilen berichtete, wie z.B. Personen mit Migrationshintergrund, die im Rahmen der Evaluationsstudie zur Einführung der beiden Förderinstrumente nach §16e und §16i SGB II befragt wurden. Des Weiteren lieferte Oshrat Hochman einen Input zu den Kategorien ‚Ethnizität‘ und ‚Herkunft‘, welche im ISSP und ESS Verwendung finden.
Im September 2022 fand das dritte Netzwerktreffen statt, welches sich dem Thema Partizipation widmete und im Rahmen dessen der Frage nach der Einbindung von Betroffenenperspektiven in unterschiedlichen Forschungsstadien wie z.B. der Fragen- und Itementwicklung und der Datenaus- und -verwertung nachgegangen wurde. Zudem gab es einen Erfahrungsaustausch der Netzwerkmitglieder zu partizipativer Forschung. Die Beiträge von Mihai Surdu zum Thema Equality Policies und Participative Data Collection sowie von Jenny Expedita Oliveira Caldas über ihre Masterarbeit „Becoming a Category“ zu der Befragungserfahrung im Afrozensus boten einen aufschlussreichen Überblick über mögliche Praxisbeispiele und den aktuellen Forschungsstand(ard). Folgende Fragen standen dabei besonders im Fokus: Wodurch zeichnet sich partizipative Forschung aktuell aus? Welche Standards müssen dabei erfüllt sein und was bedeutet dies für unser Netzwerk? Wie können Forschende die betroffenen Menschen/Communities besser erreichen und in den Forschungsprozess einbinden?
In order to be able to combat racism and discrimination in Germany as a structural problem, there is a lack of suitable statistical data so far. The recording of "migration background" says little about the risk of discrimination, other data does not exist in representative surveys. "Ethnic data", or data on ascribed "race" or racist attribution is lacking in Germany and other countries in Europe. This is where our network comes in: In cooperation with civil society organisations, we want to propose more suitable data collection concepts and methods. Furthermore, we want to disseminate and develop the state of knowledge on self-reports of self-perceived ascriptions by others.
The diverse network sees itself as engaged and in solidarity with migrantized people, BIPOC and communities negatively affected by racism in Germany, like people perceived as Jewish, Muslim, Sinti or Roma. Our work builds on previous work by civil society organisations (Equality Data Initiative, neue deutsche organisationen, Neue deutsche Medienmacher:innen, Center for Intersectional Justice and, of course, Citizens for Europe) and contributes to improving tools for analysing and combating structural racism.
A participatory and collaborative mode of research is obligatory for data collection on structural racism and discrimination, following the standards put forward by civil society equality data initiatives in Germany and Europe. To ensure these standards, civil society organizations from national minorities and other NGOs working for anti-racism, equality and non-discrimination had been invited to this initial meeting.
The research network equality data was launched with a two-day hybrid meeting with 27 participants at Humboldt University Berlin on March 24-25 2022. The network aims to come up with suggestions for participatory population data collection by self-reported subjective ethno-cultural identity and self-reported self-perceived racialization suited for the German context. The network’s working language is German.
Über das Netzwerk:
Um Rassismus und Diskriminierung in Deutschland als strukturelles Problem bekämpfen zu können, fehlen bisher geeignete statistische Daten. Die Erfassung von „Migrationshintergrund“ sagt wenig über das Diskriminierungsrisiko aus, andere Daten gibt es nicht in bevölkerungsrepräsentativen Umfragen. „Ethnische Daten“, oder Daten zu zugeschriebener „Rasse“ oder rassistischer Zuschreibung fehlen in Deutschland und anderen Ländern in Europa. Hier setzt unser Netzwerk an: In Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen möchten wir besser geeignete Datenerhebungskonzepte und -methoden vorschlagen und den Wissensstand zu Selbstauskünften über selbstwahrgenommene Fremdzuschreibungen verbreiten und weiterentwickeln.
Das divers zusammengesetzte Netzwerk versteht sich als parteilich und solidarisch mit migrantisierten Menschen, BIPOC und negativ von Rassismus betroffenen Communities in Deutschland, wie Menschen, die als Jüd:innen, Muslim:innen, Sint:izze oder Rom:nja wahrgenommen werden. Unsere Arbeit knüpft an Vorarbeiten von zivilgesellschaftlichen Organisationen an (Equality Data Initiative, neue deutsche organisationen, Neue deutsche Medienmacher:innen, Center for Intersectional Justice und natürlich Citizens for Europe) und leistet einen Beitrag, um Instrumente zur Analyse und Bekämpfung von strukturellem Rassismus zu verbessern.
Für die Datenerhebung zu strukturellem Rassismus und Diskriminierung ist ein partizipativer und kollaborativer Forschungsmodus obligatorisch, der den von zivilgesellschaftlichen Gleichstellungsdateninitiativen in Deutschland und Europa vorgeschlagenen forschungsethischen Standards folgt. Um diese Standards zu gewährleisten, wurden zivilgesellschaftliche Organisationen nationaler Minderheiten und andere NRO, die sich für Antirassismus, Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung einsetzen, zu diesem ersten Treffen eingeladen.
Das Forschungsnetzwerk Gleichstellung wurde mit einem zweitägigen hybriden Treffen mit 27 Teilnehmern am 24. und 25. März 2022 an der Humboldt-Universität zu Berlin gestartet. Ziel des Netzwerks ist es, Vorschläge für eine partizipative Bevölkerungsdatenerhebung nach selbstberichteter subjektiver ethno-kultureller Identität und selbstberichteter selbst wahrgenommener Rassifizierung zu erarbeiten, die für den deutschen Kontext geeignet sind. Die Arbeitssprache des Netzwerks ist Deutsch.