Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Europäische Ethnologie

Forschung

 

Expertise

Kultur- und Sozialtheorien, US-amerikanischer Pragmatismus, Praxistheorien, französische Sozialwissenschaften, Biodiversitätsforschung, Wissenschaftsforschung, STS, internationale Kultur- und Sozialanthropologie

 

Habilitationsschrift "Experimentalismus und Soziologie"

In meiner Habilitationsschrift im Fach Soziologie geht es darum, John Deweys Theorie des experimentellen Handelns zu soziologisieren (Teil I) und mit unterschiedlichen Programmen aus den Gebieten Soziologie sowie Kultur- und Sozialanthropologie zu konfrontieren (Teil II). Dazu gehören Praxistheorien, Stadtforschung, Laborstudien, STS, pragmatische Soziologie der Kritik, Systemtheorie, Gesellschafts- und Modernetheorien, Wissenschafts- und Technikforschung sowie Partizipationsforschung und Public Sociology. Abschließend (Teil III) wird ein programmatischer Entwurf eines sozialwissenschaftlichen Experimentalismus vorgetragen, der kritisch Bezug nimmt auf das Selbstverständnis von der Soziologie als "Erfahrungswissenschaft", die ebenso wie die Kultur- und Sozialanthropologie über keinen normativen Erfahrungsbegriff verfügt. Dieses Problem wird u.a. anhand des ethnografisch verfahrenden Erkenntnisstils bearbeitet. Es wird gezeigt, dass "Erfahrung" jenseits ihres Status' als Beobachtungskategorie einen objektkonstituierenden Beitrag zur epistemischen Fundierung sozial- und kulturwissenschaftlicher Perspektiven leistet. Das von Dewey geforderte "Ende der Zuschauertheorien der Erkenntnis" wird daher mit Hilfe der Erstellung von Koordinaten der Fremdbeschreibung sozialwissenschaftlichen Räsonierens und Forschens aktualisiert. Die Auseinandersetzung ist durch das Ziel motiviert, einen Beitrag zur Verbesserung transdisziplinärer und kollaborativer Forschungsverfahren an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit zu leisten.

 

Kollaborative Biodiversitätsforschung

Das Forschungsvorhaben geht auf eine mehrmonatige wissenschaftssoziologische Ethnografie zurück, die ich 2011/12 im taxonomischen Labor für meeresbiologische taxonomische Weichtierforschung am Pariser Naturkundemuseum durchgeführt habe (Leiter: Prof. Philippe Bouchet). Im Winter 2012 habe ich das Team von Prof. Bouchet sowie weitere rund hundertfünzig Meeresbiologen und ca. ebensoviele Landforscher auf die Expedition "Our Planet revisited: Papua New Guinea" am Küstenabschnitt von Madang (Bismarckarchipel) teilnehmend-beobachtend begleitet. Die Studie war durch folgende Fragen motiviert: Welche Auswirkung hat die durch die Moderne produzierte Biodiversitätskrise auf die alltägliche Forschungspraxis von Meeresbiologen im Labor und darüber hinaus? Was passiert, wenn vornehmlich westliche Wissenschaftler diesen Biodiversitätsverlust in einem Land bearbeiten, von dem es heißt, es sei "von der Moderne vergessen" worden? Welche Natur/Kulturkonzepte treffen aufeinander, welche epistemischen Mitsprachrechte haben die Beteiligten und was für ein soziologisches Wissen wird für eine kollaborative Problembearbeitung benötigt?

Aus der Forschung sind über 300 Seiten Feldnotizen entstanden, die Anfang 2016 ausgewertet und in einem englischsprachigen Buch verarbeitet werden sollen. Nach Abschluss meiner Habilitation soll der dort entwickelte soziologische Experimentalismus über das empirische Feld der natur- und sozialwissenschaftlichen Kollaborationsprojekte im Kontext der Nachhaltigkeitsforschung überprüft und verfeinert werden. Es wäre zu klären, wie die Methodologiediskussion im Kontext der interdisziplinären und kollaborativen Nachhaltigkeitsforschung weiter systematisiert werden kann. Dies betrifft insbesondere die förderpolitisch gestiegenden Kompetenzerwartungen gegenüber ethnografisch generiertem Erfahrungswissen, das sich in kollaborativen Forschungssettings als besonders anschlussfähig an naturwissenschaftliche Kontexte erwiesen hat. Das Projekt wird mit den Pariser Meeresbiologen und mit weiteren Kooperationspartnerinnen und -partnern in absehbarer Zeit konkretisiert.

 

Informationen zur Expedition

Erste Eindrücke meiner Studien sind in zwei Blog-Einträgen auf der Homepage der Expedition zu lesen: