Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Europäische Ethnologie

Forschungsprojekt SEiSMiC

Societal Engagement in Science, Mutual learning in Cities
Förderlaufzeit: November 2013 – Oktober 2016
Förderinstitution: 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union
institutionelle Partnerschaften: zwölf Partnerorganisationen in neun weiteren europäischen Ländern, verschiedene zivilgesellschaftlich engagierte Organisationen in Deutschland
Webseite: www.seismicproject.eu/germany/

 

Über

Im Rahmen des europäischen Projektes SEiSMiC (siehe Beschreibung nach diesem Absatz) wurde in Deutschland ein Netzwerk aufgebaut, das „soziale Innovation in urbanen Räumen“ in den Blick genommen hat. Von Anfang 2014 bis Ende 2016 wurden entsprechende Workshops, Netzwerktreffen und lokale Aktivitäten durchgeführt, die in unterschiedlichen urbanen Entwicklungen, Konflikten und zivilgesellschaftlichen Interventionen gewonnene soziale, kulturelle und wissenschaftliche Expertisen in Austausch gebracht haben.

Das übergeordnete, von der EU-Kommission geförderte Projekt SEiSMiC (Societal Engagement in Science, Mutual learning in Cities) zielte auf die Einbindung von Gesellschaft in Wissenschaft ab. Der Fokus lag hierbei auf Fragestellungen der Urbanisierung und auf den Herausforderungen, die sich für europäische Städte heute und in Zukunft ergeben. Zudem trat das Projekt für einen Gedankenaustausch und Diskurs zwischen verschiedenen städtischen Akteuren und der Zivilgesellschaft ein.

Das Projekt hatte zum Ziel, Menschen aus unterschiedlichen Gruppen und Akteur_innen der Zivilgesellschaft sowie städtische Akteur_innen aus Wirtschaft, Verwaltung und Planung zu vernetzen und ihnen eine gemeinsame Plattform zum Austausch und zum gemeinsamen Arbeiten zu bieten. Diese Plattform diente dazu, gemeinsam einen Dialog mit dem Schwerpunkt Soziale Innovation zu starten. Hierzu wurden nationale Netzwerke bestehend aus oben genannten Akteur_innen aufgebaut, in denen zukünftige urbane Herausforderungen diskutiert wurden, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

Die Netzwerke wurden gleichzeitig in 10 europäischen Ländern mit dem Ziel etabliert, die Zivilbevölkerung Teil des urbanen Forschungskosmos werden zu lassen. Teilnehmer_innen dieser Netzwerke kamen aus Bürgerbewegungen, Universitäten, Museen, Wissenschaftszentren, Ausbildungseinrichtungen, Medien, Forschungsförderung, Unternehmen, Industrie oder waren andere Entscheidungsträger_innen.

SEiSMiC wurde von der Europäischen Kommission finanziert. Es leistete einen Beitrag zur Strategic Research & Innovation Agenda der Europäischen Kommission und unterstützte die Joint Programming Initiative Urban Europe (JPI Urban Europe). 2010 von mehreren EU-Staaten gegründet, strebt JPI Urban Europe eine Koordination und Stärkung von Stadtforschung und Innovation in Europa an. SEiSMiC war eine der aus dem Seventh Framework Programme for Research and Technological Development (FP7) finanzierten Aktionen, die JPI Urban Europe von November 2013 bis November 2016 unterstützte. Im Fokus von SEiSMiC standen Mobilisierung und gemeinsames Lernen, die Beteiligung der Zivilgesellschaft sowie das Identifizieren sozialer Bedürfnisse in der Stadtentwicklung überall in Europa.

SEiSMiC wurde von 13 Partnerorganisationen realisiert, wobei davon zwei die Koordination übernehmen: das Austrian Institute of Technology in Wien und Platform 31 in Den Haag. Netzwerke wurden in folgenden 10 Ländern gebildet: Österreich, Belgien, Tschechische Republik, Deutschland, Ungarn, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Türkei und im Vereinigten Königreich.

 

Veranstaltungen

 

Fokusgruppen Berlin

26. und 28. April 2014 | Institut für Europäische Ethnologie, Humboldt-Universität zu Berlin

Dokumente und Material finden Sie unter Dokumentation.

 

Fokusgruppen Bochum/Ruhr/NRW

7. Juli 2014 | Zukunftsakademie NRW, Bochum

Dokumente und Material finden Sie unter Dokumentation.

 

Forum: Urbanes Wissen. Zivilgesellschaft. Stadtpolitik. (Auftaktveranstaltung)

15.–16. Oktober 2014 | Institut für Europäische Ethnologie, Humboldt-Universität zu Berlin

Welche Zukunftsvisionen vom städtischen Zusammenleben entstehen im Kontext des Engagements zivilgesellschaftlicher Initiativen? Wodurch zeichnen sich die Erfahrungen und Expertisen aus, die etwa Bürgerstiftungen, urban-gardening-Gemeinschaften, Mieterprotest-Bewegungen, lokale Kunst- oder Bildungsprojekte in ihren Aktivitäten erwerben? Wie lassen sich das – häufig nahraumbezogene und temporäre – Alltags- und Erfahrungswissen solcher Initiativen besser mit längerfristigen und großflächigeren stadtpolitischen Prozessen verknüpfen? Und unter welchen Bedingungen können aus zunächst „flüchtigen" zivilgesellschaftlichen Ideen nachhaltige soziale Innovationen werden?

Solche Fragen standen im Zentrum des SEiSMiC-Forums „Urbanes Wissen. Zivilgesellschaft. Stadtpolitik", das am 15. und 16. Oktober 2014 am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin stattgefunden hat. Die Veranstaltung richtete sich an Praktiker_innen und Theoretiker_innen, Planer_innen und Gestalter_innen, Aktivist_innen und Beobachter_innen des städtischen Raums und Alltags (insbesondere aus Berlin und Nordrhein-Westfalen), die daran interessiert waren, zu solchen Fragestellungen in einen praxisnahen Austausch zu treten. Das Ziel war die Gestaltung eines offenen Forums zur Erörterung des Beitrags zivilgesellschaftlicher Initiativen zu einer partizipativen Stadtentwicklung sowie zur gemeinsamen Suche nach funktionierenden Allianzen, Kooperationsformen und Strategien solcher urbaner Interventionen in stadtpolitischen Prozessen.

Das SEiSMiC-Forum war die Auftaktveranstaltung von SEiSMiC Deutschland. Es wurde in Kooperation mit der Zukunftsakademie NRW durchgeführt.

Dokumente und Material finden Sie unter Dokumentation.

 

1. Arbeitstreffen: Was ist unser Stadtteil wert? – Die Potenziale einer Community Cartography für eine andere Darstellung von Stadträumen

9.–10. April 2015 | Berlin

Ein Stadtteil erhält erst durch das alltägliche Engagement von Bewohner_innen, lokalen Initiativen und Bündnissen seine besondere Lebensqualität und Attraktivität. Durch ihre Ideen und Kreativität, durch ihre Sorgen und ehrenamtlich erbrachte Arbeitszeit wird ein Viertel zu dem was es ist. Solche Aktivitäten leisten nicht nur einen Beitrag zur Gestaltung eines Stadtraums, sondern er gewinnt hierdurch an Wert für Anwohner_innen und Passant_innen, aber auch für Stadtplaner_innen und Investor_innen. Es handelt sich um zivilgesellschaftliche Investitionen, die im urbanen Raum häufig direkt sicht- und erfahrbar sind, aber kaum in übergeordneten Darstellungen von Stadt – Karten, Statistiken und ähnliches – auftauchen.

Privatwirtschaftliche Investitionen, „Aufwertungsprojekte“, aber auch stadtplanerische Prozesse, die sich an gesamtstätdtischen Leitbildern orientieren, treiben zumeist eine „Verengung der Wertebasis“ voran: Der Schwerpunkt liegt hier etwa auf monetären Interessen oder auf der „Brauchbarkeit“ eines Stadtraums in großflächigen Entwicklungsszenarien. Aus Perspektive von Bewohner_innen und Initiativen vor Ort erscheinen solche Prozesse häufig als Formen der Enteignung zuvor gemeinsam erschaffener Werte; lokale Expertisen und Bindungen verlieren ihre Anerkennung.

Im Rahmen dieses Arbeitstreffens haben wir Möglichkeiten einer „Erweiterung der Wertebasis“ für die Gestaltung partizipatorischer stadtpolitischer Entwicklungsprozesse diskutiert: Welche verschiedenen Wertigkeiten treffen in einem Stadteil aufeinander? Können unterschiedliche (ökonomische, städteplanerische, lokale usw.) Bewertungskriterien miteinander kombiniert werden? Wie lassen sich zivilgesellschaftliche Investitionen in Stadträume, kollektiv erarbeitete Bindungen und Bedeutungen erheben und darstellen? Bieten uns Verfahren und Techniken einer „Community Cartography“ Potenziale, um die vielfältigen Werte eines Stadtteils sichtbar zu machen und zu kommunizieren? Zur Debatte stand hierbei die Initiierung von bottom-up-Prozessen, in denen sich ein Stadtteil zuerst über „seinen Wert“ verständigt, um die Ergebnisse in einem nächsten Schritt in stadtpolitische Diskussionen, Planungs- und Entwicklungsforen einzubringen.

Das Arbeitstreffen war inhaltlich in drei Teile gegliedert:

  • inhaltliche Inputs zu Möglichkeiten und Erfahrungen einer „Verbreiterung der Wertbestimmung“ eines Stadtaums sowie zu den Ideen, Potenzialen und Erfahrungen mit Verfahren einer „Community Cartography“
  • Praxisübung zur Ermittlung, Wahrnehmung und Darstellung von Werten, Raum-Bindungen und -Bedeutungen in einem Berliner Stadtteil
  • Diskussion zu den Möglichkeiten einer Anwendung solcher Verfahren und Techniken in den Stadträumen, in denen die Workshop-Teilnehmer_innen leben, arbeiten oder sich engagieren; ggf. gemeinsame Projektentwicklung (zwischen den Teilnehmer_innen, interdisziplinär, also etwa zwischen Stadtteilinitiativen, Wissenschaft, Verwaltung, …)

Das Arbeitstreffen wurde in Kooperation mit der Zukunftsakademie NRW und der Interessengemeinschaft Potsdamer Straße durchgeführt.

Dokumente und Material finden Sie unter Dokumentation.

 

2. Arbeitstreffen: Zwischen Anspruch auf Selbstorganisation und „Mut zur Verwaltung“

24.–25. September 2015 | Wuppertal

Die soziale und politische Landschaft unserer Städte verändert sich rasant. Gerade dort wo strukturelle Finanznöte, selektive (Immobilien)märkte, die Konzentration auf punktuelle „Leuchtturmprojekte“ oder der Rückzug einer gestalterischen Politik aus einzelnen Vierteln und Arbeitsfeldern die Stadtentwicklung bestimmen. Diese Tendenzen bieten zugleich Raum für kritische Positionen und handfeste Interventionen einer neuen urbanen Zivilgesellschaft.

Die wachsende Selbstorganisation von Bewohner_innen – etwa um die Geschicke „ihrer“ Stadtteilbibliothek, ihrer Nachbarschaft oder ihrer Stadt selbst in die Hand zu nehmen – stellt eine Reaktion auf diese Veränderungen dar. Sei es als Verein, als Genossenschaft, als loses Netzwerk oder als Betrieb – das Spektrum der Organisationsformen reicht von linkspolitischen Gruppen, die ein Recht auf Stadt einfordern, über lokale Initiativen, einen Stadtteil ökonomisch (wieder) zu beleben bis hin zu vielfältigen Wohnprojekten. Häufig orientieren sie sich an basisdemokratischen Idealvorstellungen, mitunter an Leitbildern unternehmerischer Kreativität. Sie verbindet der Anspruch, konkret, vor Ort und durchaus mit utopischen Potenzialen an Stadtgestaltung mitzuwirken.

Solche Entwicklungen leisten zugleich einer skeptischen Perspektive auf „Verwaltung“ Vorschub: Häufig gilt sie als überfordert oder überholt, als Blockiererin von kreativen unternehmerischen oder zivilgesellschaftlichen Prozessen. Eine solche, etwas populistische Kritik übersieht dabei, dass Verwaltung – trotz einer fortgesetzten Kürzung der Ressourcen – wichtige Aufgaben zu übernehmen versucht: Sie kümmert sich im städtischen Alltag um das Regelwerk, das auch weiterhin erforderlich ist, um Interessenausgleiche herzustellen.

Dabei ist in den letzten Jahren deutlich geworden, dass Stadtgestaltung weder ausschließlich „top-down“ aus der Logik der Verwaltung heraus gelingt, noch primär „bottom-up“ den vielfältigen Praktiken und Ideen von Gesellschaft folgend. Ebenso ist klar, dass Verwaltung auch weiterhin eine zentrale Rolle in Stadtgestaltung spielen muss, diese aber nicht alleine aus finanziellen Ressourcen und damit aus klassischer Gestaltungsmacht heraus legitimieren kann. Entsprechend rückt die Frage nach der Ausgestaltung und der Qualität der Kooperationen zwischen urbanen Initiativen und Stadtverwaltung in den Fokus. Für diese Beziehung fehlt bisher ein überzeugendes Narrativ. Es lässt sich nur schwer auf einen Begriff bringen: „polyzentrische Stadtentwicklung“ oder „Mehr-Ebenen-Governance“ beschreiben zwar Strukturen; sie erfassen aber nicht die tatsächlichen Prozesse von Stadtgestaltung im Alltag.

Im Rahmen dieses SEiSMiC-Arbeitstreffens wurden entgegen den Trends zur neoliberalen oder kreativen Verdrängung von Verwaltung diskutiert, wie die Praxis solcher Kooperationen heute aussieht. Hierzu wurden

  • zunächst Erfahrungen zu den Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Organisationsformen urbaner Initiativen ausgetauscht;
  • zweitens Arbeitsweisen, Erwartungen und Sachzwänge städtischer Verwaltungen vorgestellt;
  • und drittens im Austausch zwischen Vertreter_innen urbaner Initiativen und städtischer Verwaltung Narrative, Begriffe und Leitlinien für eine kooperierenden Stadtgestaltung entwickelt.

Das Arbeitstreffen wurde in Kooperation mit der Zukunftsakademie NRW und Utopiastadt Wuppertal durchgeführt.

Dokumente und Material finden Sie unter Dokumentation.

 

3. Arbeitstreffen: Zwischen temporären Interventionen und dauerhaften Strukturen – Potenziale „urbaner Möglichkeitsräume“ in der Stadt(raum)gestaltung

21. und 22. April 2016 | Dortmund

Eine Stadt besitzt Komponenten, die auf Dauerhaftigkeit ausgelegt sind oder zumindest einen solchen Eindruck hervorrufen: materielle Gegebenheiten, bauliche Formen und Infrastrukturen, aber auch die Stadtplanung und Verwaltung, die eine Stadt mit einer langfristigen Perspektive zu entwickeln, ordnen und gestalten versuchen. Rechtliche Rahmenbedingungen, Raumnutzungspläne oder Bauordnungen präkonfigurieren die Möglichkeiten der Stadtraumgestaltung. Zugleich setzt sich eine Stadt aus temporären oder provisorischen Elementen zusammen: die Zufälligkeit und Flüchtigkeit alltäglicher Präsenzen von Menschen an jeweiligen städtischen Orten; die kreative Veränderung von eigentlich, im Rahmen von Stadtplanungsprozessen vorgesehenen Nutzungen; die vielfältigen Migrations- und Fluchtbewegungen; aber auch eine neue Offenheit ehemaliger großflächiger Funktionsräume, die ihren (industriellen) Zweck verloren haben.

Zwischennutzungen von brachliegenden bzw. leerstehenden Immobilien machen dies besonders sichtbar – beständige Flächen und Baustrukturen werden zu temporären Orten mit provisorischen Arrangements. Solche urbanen Möglichkeitsräume entstehen somit etwa, wenn sich ökonomische Rahmenbedingungen oder stadtplanerische Leitideen verändern; sie entstehen aber auch, wenn städtische Akteur/innen in neuen Konstellationen zusammenkommen, Orte anders nutzen oder eine veränderte Perspektive auf existente Stadträume werfen und ihre Potenziale neu einschätzen.

Dabei sind temporäre Nutzungen längst Teil der meisten Stadtbilder. Sie finden zwar auch immer mehr in stadtplanerische Praxis Einzug, scheinen aber nur selten zu einem selbstverständlichen Teil des disziplinären Instrumentariums zu gehören. Es wirkt so, als würde in Politik und Verwaltung eine entsprechende Anerkennung temporärer Nutzungen noch langsamer stattfinden. Ebenso fällt eine spärliche Berücksichtigung in Gesetzen und Verordnungen auf, die mit zuvor Genanntem sicher in hohem Maße zusammenhängt. Bestimmend für Nutzungen scheint die Logik des Immobilienmarktes mit seinen Verwertungszyklen, weniger eine Auseinandersetzung mit idealen Entwicklungsszenarien. Temporäre Nutzungen bleiben demgemäß eher ökonomischer und rechtlicher Ausnahmefall, wofür üblicherweise wenig bis kein Raum vorgesehen ist. Hier besteht ein Widerspruch zwischen formeller Stadtplanung und informellem Stadtgebrauch. Werden temporäre Nutzungen von städtischen Akteur/innen realisiert, wird entsprechend oft von „alternativen Projekten“ gesprochen. Allerdings erzeugen solche „alternativen Projekte“ nicht selten gesellschaftliche Beachtung und erfahren kollektive Wertschätzung. Sie tragen hierdurch oftmals dazu bei, die Bekanntheit eines Ortes/Stadtteils zu steigern bzw. sein Bild aufzubessern und ihn (ökonomisch) aufzuwerten – eine Strahlkraft, die vom Stadtmarketing vieler Städte dann wiederum gerne aufgegriffen wird.

Es stellt sich also die Frage, ob und unter welchen Umständen temporäre Nutzungen gezielt ermöglicht werden: Sollen entsprechende Möglichkeitsräume nur genutzt werden können, wenn sie sich ungeplant ergeben oder lassen sie sich intentional schaffen? Wie und in welchen Zeiträumen von Planungsprozessen können temporäre Nutzungen besser Eingang in Planung, Städtebau und Verwaltungsprozesse finden? Für welche Nutzungen sollen temporäre Räume in der Stadt geöffnet werden? Und wie können dabei die unterschiedlichen Bedarfe einer vielfältigen Stadtgesellschaft berücksichtigt werden? Wie kann das Potenzial von Zwischennutzungen für langfristige Entwicklungen produktiv gemacht werden? Sind alternative Modelle für eine Stadtentwicklung denkbar, die weniger festlegt, sondern verstärkt ermöglicht?

Diese Aspekte waren Thema des Arbeitstreffens in Dortmund. Insbesondere ging es um urbane Möglichkeitsräume, verstanden sowohl als physische Räume als auch gedankliche Spielräume. Vor Ort wurde beispielhaft ein konkretes, unter lokaler Aufmerksamkeit stehendes Industriegelände in den Fokus gestellt: Das westlich der Innenstadt liegende Werksgelände der HSP Hoesch Spundwand und Profil GmbH, dessen Fertigungsbetrieb zum Ende des Jahres 2015 beendet wurde und sich zum Zeitpunkt des Arbeitstreffens im Abwicklungsprozess befand.

Im Rahmen des Arbeitstreffens haben zur Diskussion der Potenziale urbaner Möglichkeitsräume verschiedene Akteure und Akteurinnen aus der Praxis ihre Perspektiven zu urbanen Möglichkeitsräumen in der Stadtentwicklung vorgestellt. An dem oben erwähnten Fall des HSP-Areals in Dortmund wurde daraufhin – nach einer Vorstellung des Areals durch lokale Vertreter/innen sowie einer Ortsbegehung – gemeinsam eine Fallanalyse durchgeführt, bei der realistische Zukunftsperspektiven für das Gelände diskutiert und utopische Potenziale entwickelt werden sollten. Daraufhin wurden verschiedene temporäre Nutzungen nach ihrer zeitlich gestaffelten Umsetzungsmöglichkeit – von kurzfristige über mittelfristig, bis hin zu langfristig – diskutiert, um darauf aufbauend zum Abschluss notwendige Rahmenbedingungen und Interventionspunkte in Stadt(raum)gestaltungsprozessen zu identifizieren. Über diesen konkreten Fall hinaus ging es aber durchgängig um die Entwicklung eines übertragbaren und zugleich analytischen Instrumentariums, um urbane Möglichkeitsräume auch in anderen Kontexten und an anderen Orten identifizieren und gestalten zu können.

Das Arbeitstreffen wurde in Kooperation mit der Zukunftsakademie NRW und dem lokalen Verein Die Urbanisten durchgeführt.

Dokumente und Material finden Sie unter Dokumentation.

 

4. Arbeitstreffen: Kapital rein, Verwertungslogik raus!? – Kooperative Eigentümerschaft als Strategie der Stadtgestaltung

15. und 16. September 2016 | Berlin

Städtische Räume sind eine komplexe Koproduktion all derer, die sie durch ihr Handeln nutzen. Für diese Nutzung ist immer auch entscheidend, wie Grund und Boden sowie Gebäude einer Stadt eigentumsrechtlich deklariert sind: ganz direkt z. B. für Pensionsfonds-ManagerInnen, die mit dem weitgehend privatisierten Gut „Wohnungen“ handeln; indirekt z. B. für den Fahrradfahrer, der eine Initiative für breitere Radwege auf dem öffentlichen Gut „Straße“ unterstützt. Freilich entzieht sich das kooperative Werk „Stadt“ auch zu einem gewissen Grad, etwa als urbanes Flair, eigentumsrechtlich definierten Verfügungsrechten – doch für die materielle Stadtgestaltung bleiben Grundbucheinträge relevant: Eigentum matters. Gerade in Zeiten, in denen Wohn- und Arbeitsräume als Finanzprodukte auf einem globalen Immobilienmarkt gehandelt werden, in denen der öffentliche Wohnungsbau auf Sparflamme betrieben wird und städtische Liegenschaften im Sinne der Haushaltskonsolidierung zu Höchstpreisen verwertet werden.

Urbane Initiativen, die eine gemeinschaftliche Stadtraumgestaltung anstreben, sind also in einem umkämpften Umfeld mit „Eigentumsfragen“ konfrontiert. Die Idee, Stadtraum zu kaufen, um Raumgestaltungsinteressen zu verstetigen, ist dennoch naheliegend wie vielversprechend. Und diese Idee wirft eine ganze Reihe von Fragen auf. Für eine längerfristige Stadtgestaltungsperspektive ist es entscheidend, zu wissen, wem das Grundstück bzw. die Immobilie gehört, auf dem bzw. in der die Initiative aktiv ist. Dann stellt sich die Frage, was die EigentümerInnen mit dem Grundstück oder Gebäude eigentlich vorhaben: Gehört die Immobilie dem Bund ist noch lange nicht gesagt, dass dessen Liegenschaftspolitik mit der der Stadt übereinstimmt. Ist das Gebäude in Privatbesitz, heißt das nicht zwingend, dass die BesitzerInnen damit rein renditeorientierte Ziele verfolgen. Nicht zuletzt treten womöglich MitbewerberInnen mit eigenen überzeugenden Nutzungs- und Finanzierungskonzepten auf den Plan. Doch ehe es dazu kommt, sind derlei besitzanstrebende Formen der Raumaneignung dahingehend voraussetzungsvoll, dass erst einmal ein oder mehrere finanzstarke PartnerInnen gefunden werden müssen, mit denen sich eine kooperative Eigentümerschaft – z. B. in Form von Erbbaurechtsverträgen – realisieren lässt. Damit nicht genug: Auch für die Binnenorganisation der Initiativen stellen sich neue Fragen: Wie sieht z. B. eine Organisationsform aus, die ihren Anspruch an eine gemeinschaftliche Stadtraumgestaltung auch in der eigentumsrechtlichen „Sachherrschaft“ über den Stadtraum dauerhaft absichert? Anders gefragt: Wie verdirbt Geld bzw. Eigentum nicht den Charakter der Initiative?

Kooperative Eigentümerschaft, realisiert in Bündnissen zwischen urbanen Initiativen und Stiftungen/Genossenschaften, sind komplex und sie lösen nicht die großen Herausforderungen, die sich aus der „Finanzialisierung“ der Immobilienbestände ergeben. Nichtsdestotrotz wirken derlei Allianzen konkret und sie gewinnen an Popularität. Und sie finden nicht losgelöst von politisch-verwalterischer Stadtgestaltung statt, sie bauen auf Kooperation mit Politik und Verwaltung. ExRotaprint und der Holzmarkt sind bekannte Berliner Beispiele für die Kooperation von urbanen Initiativen und Stiftungen; die Berliner Initiative „Haus der Statistik“ plant das gleichnamige Gebäude in eine genossenschaftliche Trägerschaft zu überführen. Das Samtweberei-Projekt in Krefeld wurde wiederum von der Montag Stiftung Urbane Räume gemeinsam mit der Stadt Krefeld initiiert.

Das vierte und abschließende SEiSMiC-Arbeitstreffen widmete sich am ersten Tag Kooperationen zwischen urbanen Initiativen, Stiftungen und AkteurInnen aus Politik und Verwaltung. Ziel war es erstens, anhand konkreter „Fälle“ genauer zu ergründen, wer hier eigentlich mit wem, warum, wie und auf welcher Basis kooperiert? Zweitens ging es darum, aus dieser Perspektive „Muster des Gelingens“ abzuleiten, mit denen urbane Initiativen weiterarbeiten können. Hierbei wurde sich an folgenden beispielgebenden, nicht abschließenden Fragen orientiert: Welche Interessensgemeinsamkeiten sowie -konflikte gibt es zwischen urbanen Initiativen und „wirkungsorientierten Investoren“? Welche Rolle können Allianzen zwischen urbanen Initiativen und Stiftungen in der städtischen Liegenschaftspolitik spielen? Können solche Allianzen zwischen urbanen Initiativen und Stiftungen um Partner aus der Verwaltung erweitert werden? Kann der politische Wille Allianzen urbaner Initiativen mit „wirkungsorientierten Investoren“ gegenüber anderen konventionell rendite-orientierten Investoren privilegieren? Kann die öffentliche Hand planungsrechtlich Gestaltungsmöglichkeiten zurückgewinnen?

Der zweite Tag war am Vormittag zweigeteilt. In Teil A wurde eine Exkursion auf das Holzmarktgelände unternommen sowie eine offene Sitzung zur Vertiefung von am ersten Tag aufgekommenen Aspekten und weiteren Themen sowie zur vorbereitenden Entwicklung von Ideen zu der Frage, wie die Mitglieder des SEiSMiC- Netzwerks nach Projektende zusammenarbeiten könnten, durchgeführt. Parallel dazu hat in Teil B ein geschlossener Workshop stattgefunden, in dem langjährige Initiativen-VertreterInnen sowie StiftungsvertreterInnen Formate einer systematischen Zusammenarbeit diskutiert haben. Abgeschlossen wurde das Arbeitstreffens mit einer Programmpunkt zu künftigen Arbeitszusammenhängen.

Das Arbeitstreffen wurde in Kooperation mit der Zukunftsakademie NRW und VertreterInnen von re:Kreators durchgeführt.

Dokumente und Material finden Sie unter Dokumentation.

 

Dokumentation

 

Fokusgruppen (Bochum/Ruhr/NRW und Berlin)

 

Forum: Urbanes Wissen. Zivilgesellschaft. Stadtpolitik. (Auftaktveranstaltung)

 

SEiSMiC International Launching Event (24.–25. November 2014, Brüssel)

 

1. Arbeitstreffen: Was ist unser Stadtteil wert? – Die Potenziale einer Community Cartography für eine andere Darstellung von Stadträumen

 

2. Arbeitstreffen: Zwischen Anspruch auf Selbstorganisation und „Mut zur Verwaltung“

 

SEiSMiC-Newsletter #6 (Januar 2016)

Der SEiSMiC-Newsletter #6 (What’s Shaking: Newsletter of the SEiSMiC project, issue 6) wurde von SEiSMiC Deutschland verfasst. Entstanden sind dabei sowohl Artikel aus dem SEiSMiC Team, die aktuelle Geschehnisse, Diskussionen und Ideen unseres Netzwerks darstellen, aber auch Artikel von Mitgliedern unseres Netzwerks, die ihre Projekte vorstellen. Das Editorial gibt eine gute Übersicht über die Inhalte aller einzelnen Artikel.

 

3. Arbeitstreffen: Zwischen temporären Interventionen und dauerhaften Strukturen: Potenziale „urbaner Möglichkeitsräume“ in der Stadt(raum)gestaltung

 

4. Arbeitstreffen: Kapital rein, Verwertungslogik raus!? – Kooperative Eigentümerschaft als Strategie der Stadtgestaltung