Ursula Seer
Vielschichtig verkörperte Subjektivitäten. Ein ethnologischer Austausch mit XY-Frauen
Abstract
Die komplexe gegenseitige Durchdringung von Biomedizin als Kulturtechnik und Kultur als konstitutiv für Selbst- und Körpertechnologien wird im Feld „Intersexualität“, einem Netz von klinischen und biowissenschaftlichen, alltagsweltlichen und intimen Schauplätzen hauptsächlich in Form von Normalitäts- bzw. Stigmagrenzen und Normalisierungspraktiken wirkmächtig. Mein Promotionsprojekt geht der Frage nach, wie XY-Frauen – Personen, die medizinisch mit verschiedenen Intersexsyndromen der Klassifikation „Pseudohermaphroditismus masculinus“ markiert wurden – soziokulturell, diskursiv und institutionell eingebettete Normalitätsvorstellungen über menschliche Verkörperung, die nicht selten als Ausdrucksformen von Heteronormativität und Heterozentrismus entschlüsselt werden können, erfahren und empfinden, verarbeiten und umgestalten. Im Gegenzug zur biomedizinischen Objektivierung und Universalisierung von Körpern oder der Idee von der kulturellen Einschreibung in passives biologisches Substrat liegt das Augenmerk hier auf dem kulturellen Charakter gelebter Körperlichkeit. Dabei spielt Sensibilität hinsichtlich Differenz eine zentrale Rolle. Sie bedeutet, sich auf die varianten verkörperten Subjektivitäten meiner Interaktionspartner/innen einzulassen, um einen Einblick in die vielfältig verkörperten Realitäten von menschlicher physischer Variation gewinnen zu können. Die im deutschsprachigen Raum aktive Selbsthilfegruppe der „XY-Frauen“ war 10 Monate lang das Interaktionsgebiet meiner Feldforschung. Das Herzstück meiner Dissertation sind Intensivinterviews mit 15 XY-Frauen. Die Inhalte werden durch teilnehmende Beobachtung und Internetkommunikation ergänzt. Medizinanthropologie, Normalismusforschung und Queer Theorien begründen die theoretische Perspektive.
Schlüsselbegriffe
Intersexualität, Biomedizin, Verkörperung, Normalität, Normalisierung, Heteronormativität, Geschlechtsidentität, Medizin- und Bioethik
Hermaphroditism, biomedicine, embodiment, normality, normalization, heteronormativity, gender identity, medical and bioethics
Curriculum Vitae
Magistra artium in Europäische Ethnologie, Humboldt-Universität zu Berlin
Kontakt
E-Mail: usee@arcor.de