Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Europäische Ethnologie

Forschung

Forschungsschwerpunkte

  • Historische Anthropologie
  • Wissens- und Wissenschaftsgeschichte
  • Anthropologie ländlicher Räume
  • Nachhaltigkeitsforschung
  • Migrations- und Transitionsprozesse
  • Museum und Musealisierung

 

Video: youtube - GGkW-593IJk

Leonore Scholze-Irrlitz - Helmholtz-Humboldt-Sonntagsvorlesung 2015, 31:49

 

Forschungsprojekte

 

Abgeschlossene Drittmittelprojekte

 

Arbeit für den Feind. Zwangsarbeiter-Alltag in Berlin und Brandenburg 1939-1945. Fritz Thyssen Stiftung, Land Brandenburg 1997-1998

Ausgehend vom Arbeiterdurchgangslager in Berlin-Wilhelmshagen, dem organisatorischen Rückgrat des Ausländereinsatz in der Rüstungsproduktion an der Schnittstelle von Berlin und Brandenburg, wurde im Projekt zum einen erstmals der Lager- und Arbeitsalltag von zwangsverpflichteten Arbeitskräften erforscht, zum anderen ging es um den Vergleich des Bildes, welches aus dem erhobenen Material entsteht, mit dem individuellen und kollektiven Gedächtnis der Einwohner von Orten, in denen solche Arbeits- und Wohnlager existiert haben.

 

Freizeitverhalten in der DDR und in den neuen Ländern: Geselligkeit, Fest- und Konsumkultur, Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission (zus. m. W. Kaschuba, I. Merkel), 1998-99

Das Feld der DDR-Freizeitkultur erwies sich nach der Wiedervereinigung auch deshalb als eine wichtige Dimension sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung, weil es hier nicht um ein abgeschlossenes Kapitel der Zeitgeschichte ging, wie in vielen politischen und institutionellen Bereichen. Die Freizeitkultur setzte nicht etwa völlig neu ein, sondern entwickelte sich in Form eines Kontinuums über alle Wendemarken hinweg weiter. Es wurde herausgearbeitet, welche Felder für das Verständnis des sozialpolitischen wie mentalen Wandels noch besonderer Erforschung bedurften. Dabei stand die Frage nach komplexen Praxisformen und nach individuellen wie kollektiven Freizeitrepertoires im Mittelpunkt.

 

Volkskunde als öffentliche Wissenschaft. Die Wissens- und Wissenschaftsgeschichte der Berliner Volkskunde 1860–1960, DFG-Projekt, 06/2003 bis 05/2006 (zus. m. W. Kaschuba)

Untersucht wurde die Entwicklungsgeschichte der Berliner Volkskunde zwischen 1860 und 1960 als die einer „öffentlichen Wissenschaft“. Denn sie stand einerseits eng mit dem politischen Zeitgeist in Deutschland in Beziehung, dem sie kulturelle Bilder des „Volkes“ als populäre Modelle sozialer und nationaler Vergemeinschaftung zulieferte. Und sie vermochte andererseits nur durch diesen öffentlichen Charakter tatsächlich „Wissenschaft“ zu werden. Außerhalb der Volkskundemuseen wurde die akademische Volkskunde erst nach 1933 etabliert – zunächst in Berlin. Es wurden Konzepte und Programme sowie die personelle Rekrutierung und wissenschaftliche Habitualisierung, die institutionellen Formen und politisch-sozialen Netzwerke analysiert, die am Volkskunde-Standort Berlin entwickelt wurden. Es entstand zunächst eine „nationale“ Hilfswissenschaft des Kaiserreichs, dann eine dem Nationalsozialismus hilfreiche, teilweise rassistische Volkstumskunde. Dieser „Karriereweg“ des Faches ist wissenschaftsgeschichtlich und in seiner ständigen Politiknähe untersucht worden. Er wurde deshalb bewusst über die politisch-gesellschaftlichen Brüche von Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und DDR-Gründung hinweg analysiert, um die jeweilige wissenschaftliche wie politische „Legitimationsarbeit“ der werdenden Wissenschaftsdisziplin exemplarisch beleuchten zu können.

 

Volkskunde in der Metropole. Zur Entstehung eines volkskundlichen Wissensmilieus und zur Produktion kultureller Wissensformate in Berlin, DFG-Forschungsverbund: Volkskundliches Wissen und gesellschaftlicher Wissenstransfer. Zur Produktion kultureller Wissensformate im 20. Jahrhundert, 08/2006 bis 06/2008 (zus. m. W. Kaschuba unter Mitarb. von I. Dietzsch und S. Imeri)

In der Wissen(schaft)sforschung sind vor allem bei der Auseinandersetzung mit Globalisierungsdebatten und einer vielfach konstatierten „Renaissance des Regionalen“ verschiedentlich auch mögliche Raumbezüge von Wissen thematisiert worden. Mit Blick auf solche Einbindungen der Wissensproduktion hat sich das Projekt in einer historischen Perspektive mit den komplexen Wechselbeziehungen und Wirkungsverhältnissen von Raum/Region, Wissen und sozialen Akteuren beschäftigt. Denn kennzeichnend für volkskundliches Wissen ist eine starke lokale Einbindung mit regionaler Perspektive. Das Fach besaß in aller Regel spezifische regionale Wissensanteile, baute auf landschaftliche Bezüge und regionale Träger, die nicht beliebig transformier- bar und generalisierbar waren. Berlin als exemplarischer Ort volkskundlicher Wissensproduktion war dabei von besonderem historischen Interesse, weil dort einerseits die akademische Institutionalisierung lange vor 1900 in Gang kam, andererseits aber die Großstadt selbst als Forschungsfeld erst nach 1945 „entdeckt“ wurde.

 

Der Homo Europaeus in der Medizin und Nahrungsforschung, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), stellv. Teilprojektleitung im Projekt von St. Beck, 02/2006 01/2009 (Kooperation mit Instituten für Geschichtswissenschaften der Universitäten Berlin und Leipzig und dem Deutschen Museum in München)

Es wurde von der These ausgegangen, dass „Europeanness“ oder europäische Identität gerade im Schnittfeld solcher – aus sozial- und kulturwissenschaftlicher Sicht eher entlegenen, unspektakulär erscheinenden – EU-Programme hergestellt wird, die allein auf die Beeinflussung gesellschaftlicher Subsysteme und technokratischer Diskurse ausgerichtet erscheinen. In dem Projekt ging es um die Untersuchung der zunehmenden Verschränkung epidemiologischer, gesundheitsbezogener Forschungsprogramme, wie sie gegenwärtig im Zusammenhang einer präventiv ausgerichteten Medizin sichtbar werden, mit den Diskursen und Praktiken einer auf genetische oder molekularbiologische Methoden und Theorien zurückgreifenden Nahrungsforschung. Der von mir betreute Teil des Projektes ging der Frage nach, wie gegenwärtiges Wissen aus dem Umfeld der sog. Lebenswissenschaften die regional untermalten Praxen der Erzeugung und Vermarktung von Lebensmitteln in ganz Europa beeinflusst und auch transformiert. Untersucht wurde dafür, wie regionale Spezialitäten bzw. traditionelle Erzeugnisse wissenschaftlich analysiert und – durch Standardisierung – gegen Veränderung stabilisiert werden. Ein Teil von ihnen erlangt einen EU-Schutzstatus über Zertifizierung von Traditionsbeständen, die aber aus ihren angestammten lokalen Produktions- und Konsumtionskontexten gelöst werden. Tradition wird hier als Antwort auf die mit den sozialen und kulturellen Umbrüchen einhergehenden Modernisierungsängste und in Form eines Mehrwertgenerators im Europäisierungsprozess genutzt.

 

Exhibiting Europe: Politics of Display: Migration, Mobilities, and the Borders of „Europe“ (unter Mitarb. von K. Poehls), Norwegischer Forschungsrat, gemeins. Projekt mit den Universitäten Trondheim/Norwegen (Museumswissenschaften) und Portsmouth/ Großbritannien (Geschichtswissenschaft), 10/2008 bis 09/2011

Das Berliner Teilprojekt „Politics at Display: Migration, Mobilities and the Borders of ‚Europe‘“ widmet sich der Frage, wie Migrationsprozesse in ausgewählten europäischen Museen und in temporären Ausstellungen repräsentiert und inszeniert werden und welches implizite Verständnis von Europa, seinen kulturellen und sozialen, religiösen und historischen Grenzen dabei zu Tage tritt. Europäisierung als ein „zirkulärer“ Prozess spiegelt sich in Museen in ganz Europa wieder. Diese werden durch die Auswahl ihrer Themen, durch ihre Ausstellungspraxen und entstehende europäische Museumsnetzwerke „europäisch“. Dabei wirft die europäische Integration als ein fortlaufender sozialer Prozess nicht nur Fragen nach politischen, juristischen und ökonomischen Grenzen Europas auf. Sondern es gilt vor allem, die darin verborgenen kulturellen und sozialen Grenzziehungen mitsamt den oft fragilen Konzepten einer „europäischen Identität“ offen zu legen.

 

Volkskunde in der Metropole. Die Produktion kultureller Wissensformate und das volkskundliche Wissensmilieu in Berlin (1900–1945), DFG (zus. m. W. Kaschuba, unter Mitarb. von S. Imeri u. F. Schneider), 04/2010 bis 03/2013

Das Projekt beschäftigt sich mit den komplexen Wechselbeziehungen und Wirkungsverhältnissen von Metropole, volkskundlich-ethnografischem Wissen und sozialen Akteuren im spezifischen Kontext Berlins zwischen 1900 und 1945 und erweitert bisherige Fachgeschichten zum Verhältnis von Volkskunde und Stadt durch eine dezidiert wissensgeschichtliche Perspektive. Es wird Aufschluss darüber erwartet, wie sich volkskundliche Akteure und volkskundliches Wissen in der synchronen wie in der diachronen Perspektive in urbanen Kontexten „bewegten“ und welchen Resonanzraum dieses Wissen dort erfuhr. Zwei Fallstudien nehmen dazu charakteristische Schnittstellen des Berliner volkskundlichen Wissensmilieus mit anderen gesellschaftlichen Bereichen, mit Akteuren und Praxen, in den Blick. Am Beispiel der Themenfelder „Tracht“ und „Haus“ wird untersucht, wie sich die urbanen Aktionsräume des volkskundlichen Wissensmilieus gestalteten, in welchen Wissensformaten – etwa Ausstellungen in Museen und auf Messen, populäre Zeitschriften oder wissenschaftliche Veranstaltungen – sich volkskundliches Wissen ausbreitete und inwiefern es dabei Geltung und Wirkung erlangte.

 

Akteurinnen – Praxen – Theorien. Zur Wissensgeschichte der Ethnologie in der DDR, VW-Stiftung, (zus. m. S. Imeri, I. Kreide-Damani, K. Noack), von 03/2017 bis 02/2019

Das Projekt zielt auf die Erarbeitung einer systematischen Wissens- und Fachgeschichte der Ethnologie in der DDR. Es beschäftigt sich mit den komplexen Wechselbeziehungen und Wirkungsverhältnissen von zentraler Wissenschaftsplanung, akademischen Traditionslinien, lokalen wie regionalen Eigendynamiken sowie internationalen Einbindungen und Relationen im spezifischen Kontext der SBZ/DDR. Zentral ist dabei eine dezidierte Betrachtung wissenschaftlicher Entwicklung vor dem Hintergrund einer Verflechtungsgeschichte der DDR und damit unter Einbezug weltpolitischer Dynamiken und Veränderungsprozesse sowie deren Wirkungen auf Wissenschaftspolitik wie auf „Politiken des Wissens“: Kalter Krieg und Blockbildung, globale Dekolonisierung, Befreiungs- und Widerstandsbewegungen, „1968“ und die Auswirkungen auf die europäischen Wissenschaftslandschaften. Das Projekt setzt damit auf eine problem- und kontextorientierte Analyse, die exemplarisch die Entwicklung eines „kleinen Faches“ im Rahmen der Wissenschaftspolitik eines unter wechselnden politischen Bedingungen zunehmend autoritären Staates verfolgt und dabei eine nur in Ansätzen vorhandene, in erster Linie auf politische Funktionalität und den nationalen Kontext bezogene Fachgeschichte wissensgeschichtlich und wissenskulturell erweitert.

Video: youtube - GGkW-593IJk

 

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