Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Europäische Ethnologie

Anthropologie ländlicher Räume

Anthropologie ländlicher Räume meint zunächst generell die Untersuchung menschlicher Lebens- und Arbeitsformen in einem je spezifischen ländlich-regionalen Rahmen – teilweise in bewusster Anknüpfung an klassische volkskundliche wie völkerkundliche Traditionen. Für eine sich als europäisch verstehende Ethnologie stellt dieser Raum aber auch deshalb ein wichtiges Untersuchungsfeld dar, weil ländlich geprägte Regionen 92 Prozent der Flächen der Europäischen Union umfassen, besiedelt mit 56 Prozent der Bevölkerung. Erforscht werden insbesondere historische wie aktuelle Wandlungsprozesse, die in europäischen Gesellschaften heute sichtbar werden – als Folge von Industrialisierung, Modernisierung und Globalisierung.

Damit sind zunächst Fragen nach Perspektiven von Arbeit und Ökologie, Sozialität und Soziabilität sowie dem Verhältnis der Geschlechter und Generationen berührt, wie sie auch in urbanen Kontexten anzutreffen sind. Hinzu kommt für ländliche Räume die bedrängende Erfahrung des Zusammenbrechens von sozialen und ökonomischen Strukturen: „Shrinking regions“ durch hohe Arbeitslosigkeit, Landflucht, Segregation, Überalterung etc. Dieses „Schrumpfen“ erreicht ein Ausmaß, welches in der medialen Repräsentation ländliche Regionen als einen „peripheren Raum“ erscheinen lässt. Ein besonderes Interesse im Labor gilt jedoch auch solchen Integrationsbestrebungen und neuen Vergesellschaftungsformen, die durch die Fokussierung auf Desintegrationsprozesse weitgehend ausgeblendet werden.