Mobilisierung von Recht durch/als Kollektivierung?
Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsrecht als institutionelle und politische Praxis (abgeschlossen)
„Enthinderung ermöglichen“, „Sexualitäten diversifizieren“, „Ethnische Vielfalt normalisieren“ – unter diesen Schlagworten untersuchte das Forschungsprojekt von Januar 2018 bis Juni 2021 in drei ethnographischen Fallstudien aus kulturanthropologischer Perspektive Prozesse der Implementierung und Mobilisierungen von Antidiskriminierungs- und Gleichbehandlungsrecht, insbesondere dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Mit dem AGG wurden 2006 EU-Richtlinien zur langfristigen Beseitigung gesellschaftlicher Diskriminierungen in deutsches Recht umgesetzt. Auch wenn aus juristischer Perspektive die regelnde und sanktionierende Kraft des AGG als eher unzulänglich eingeschätzt wird, werden doch die Effekte des Gesetzes etwa in Hinblick auf gesellschaftliche Einstellungen und langfristige Veränderungen hervorgehoben. Doch wie werden das AGG und andere Gesetze mit Leben gefüllt: wie strukturieren normierende, alltagspraktische und politische Aspekte des Gesetzes die Praxis, wie wird Recht zum Alltag in der politischen wie praktischen Arbeit von NGOs, Behörden, Institutionen und Interessenvertretungen? Wie werden mit Hilfe von Antidiskriminierungs- und Gleichbehandlungsrecht gesellschaftliche Ausgrenzung und eingeschränkte Teilhabemöglichkeiten problematisiert und wie trägt es dazu bei, konkrete Veränderungen anzustoßen?
Das Teilprojekt ist im Kontext der empirischen Rechtsforschung angesiedelt. Mit seinem dezidiert praxeologischen und geschlechtertheoretischen Zuschnitt knüpft es an rechts- und politikanthropologische Konzepte sowie sozial-/kulturanthropologische Theorien der Vergemeinschaftung mit ihren jeweiligen geschlechtertheoretischen Erweiterungen an. Es nutzt ethnographische Methoden, um im Vergleich der drei Fallstudien (1) die sozialen und (alltags-) praktischen Effekte des AGG im lokalen Raum an Schnittstellen zu anderen rechtlichen Regulierungen zu untersuchen, (2) die hierdurch angestoßenen Kollektivierungsprozessen und die Verhandlung von Individualität und Kollektivität in der Antidiskriminierungspraxis zu befragten, (3) Dimensionen der Vergeschlechtlichung in den durch das AGG angestoßenen Institutionalisierungs- und Kollektivierungsprozessen herauszuarbeiten und (4) Verschränkungen von rechtlicher und politischer Praxis in Hinblick auf Zugehörigkeit und Teilhabe an (Stadt-)Gesellschaft aufzuzeigen.
Projektleitung:
Prof. Dr. Beate Binder
Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen:
Prof. Dr. Martina Klausner
Michèle Kretschel (M.A.)
Alik Mazukatow (M.A.), assoziiert
Nabila El-Khatib (M.A.)
studentische Mitarbeiter:innen:
Hendrik Steppke
Noora Oertel