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Emmanuel Désveaux: What's wrong with aesthetization? Reflexions about the musée du quai Branly

Bericht über den Vortrag im Institutskolloquium am 11. November 2014; von Sina Holst

Emmanuel Désveaux wagt einen Rückblick auf die Konzeption und Umsetzung des Musée du Quai Branly (Paris) und seine Zeit als wissenschaftlicher Direktor des entstehenden Museums von 2001 bis 2008. Dafür stellt Désveaux die Frage, what is it, the musée du quai Branly?

Die Antwort, die Désveaux gibt, beschreibt eine Installation, die zwar „Museum“ heißt, für die aber Unklarheit besteht, wie sie Langfristigkeit entwickeln kann – denn sie erscheint ihm als Installation eher in ihrer momenthaften Vergänglichkeit, ihrer Ephemeralität bedeutsam. Für einen Moment spiegle das Musée du Quai Branly in besonderer Weise den Zeitgeist – l'air du temp –, indem es die ethnografischen Objekte, die es ausstellt, radikal unethnografisch zeige, getrennt von Kontextualisierung und somit von Ethnografie, stattdessen würden die Dinge als solche in Kunst verwandelt. Zugleich ist gerade diese Radikalität derart statisch gebaut, derart unveränderbar in die Architektur eingeschrieben, dass sie wie ein historisches Relikt einer im Vergehen befindlichen Jetztzeit den Denkmälern zuzuzählen sein könnte.

Was ist zu tun mit ethnografischen Sammlungen und Museen? Die politische Frage, ob ein Herauslösen aus ihrem (kolonialen) Kontext und ein Neubestimmen als Teil (westlich-europäischer) Kunstgeschichte in der Form der Installationskunst irgendeine Aussage über die kolonialen Kontinuitäten trifft, in denen ethnografische Sammlungen in Frankreich ebenso wie in Deutschland stehen, bleibt unbeantwortet: Ist der Zeitgeist, auf den Désveaux anspielt, letztlich die Müdigkeit der Gegenwart (in West-Europa), sich kritisch mit den eigenen geschichtlichen und gegenwärtigen Verstrickungen und Machtverhältnissen auseinanderzusetzen?

Désveaux erklärt nicht, was genau er mit „aesthetization“ meint. Es könnte den Prozess bezeichnen, die ethnografischen Objekte in den Gegenstandsbereich zeitgenössischer west-europäischer Kunst zu überführen. Es könnte aber ebenso auf einen spezifischen Modus der Wahrnehmung anspielen, auf eine intersubjektive Definition dessen, was wie wahrgenommen werden kann und soll. „Ästhetisieren“ könnte hier auch bedeuten, in die Möglichkeiten der Wahrnehmung, in die Wahrnehmbarkeit dieser Objekte einzugreifen.

An diesem Abend bleibt die Frage im Raum stehen, welche Relevanz ethnologische Überlegungen überhaupt für die angewandte Kulturpolitik haben. Wenn Désveaux über seine Zeit als wissenschaftlicher Direktor spricht, scheint er seinen Einfluss ziemlich gering einzuschätzen.