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Walter Leimgruber und Werner Schiffauer: Politiken der ethnologischen Migrationsforschung

Bericht über den Vortrag im Institutskolloquium am 18. November 2014; von Manuel Liebig

In der Kolloquiumssitzung am 18.11.2014 zu den „Politiken der ethnologischen Migrationsforschung“ näherten sich Prof. Dr. Walter Leimgruber und Prof. Dr. Werner Schiffauer mit ganz unterschiedlichen Ansätzen der Forschungsrichtung an. Leimgruber, der – auf seinem Schweizer Hintergrund aufbauend –  Forschung als direkt angebunden an politische Diskussionen, Beeinflussungen und Entscheidungen sieht, stellte die wissenschaftliche Praxis im stetigen Kampf um Ressourcen in den Raum konkreter pragmatischer Politikberatung. Schiffauer dagegen unternahm eine Reise durch die Fortentwicklung der Migrationsforschung, bei der er ausgehend von eigenen Erfahrungen mehrere Phasen dieser Forschungsrichtung als Kritik an theoretischen Konzepten und gesellschaftlichen Diskursen aufzeigte. Dabei kamen sich jedoch beide in ihrer Darstellung der heutigen Herausforderungen für die Migrationsforschung nahe: so bedarf es einer interdisziplinären Herangehensweise, die gleichzeitig andere Forschungsrichtungen mit einbezieht. Alle unsere Felder sind durchzogen vom Phänomen der Migration, sodass eine lediglich darauf fixierte Forschung nicht zielführend ist. Schiffauer sah in der Kritik politischer und gesellschaftlicher (z. B. journalistischer) Szenarien den Sinn künftiger Wissensproduktion – nicht als Gegenpart zu, sondern zur Einwirkung auf diskursive Formationen, wie sie sich zum Beispiel in der statischen visuellen Repräsentation von Migration wiederfinden. Leimgruber fügte dem Überlegungen bezüglich stereotyper Vorstellungen über Auswanderung hinzu, indem dieser blinde Fleck als normalisierte Praxis einer high skilled migration anzusehen sei.

Doch kann der alleinige Blick auf hochqualifizierte Migrant_innen und darüber eine argumentative Legitimierung von Migration hilfreich sein? Dies kann schnell in eine Sackgasse führen, wenn wir der Annahme folgen, dass Gesellschaft erst durch Migration konstituiert wird. Ein Ansatz, der sich lediglich auf den gesellschaftlichen Nutzen von Migration beschränkt, reduziert diese auf ihre ökonomische Komponente und läuft Gefahr, wissenschaftliche Forschung reiner Verwertungslogik zu unterwerfen. Vielmehr sei der Frage nachzugehen, die das „Labor Migration“  am Institut für Europäische Ethnologie an der HU Berlin bereits gestellt hat: Wie können wir (kritische) Migrationsforschung als Gesellschaftsforschung konzeptualisieren, wie die Migrationsforschung „entmigrantisieren“ und die Gesellschaftsforschung „migrantisieren“?