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Brandenburg-Preußens Versklavungshandel und Einbindung in den europäischen Kolonialismus

Brandenburg-Preußen beteiligte sich über seinen Kolonialstützpunkt Groß-Friedrichsburg Ende des 17. bis Anfang des 18. Jahrhunderts am transatlantischen Versklavungshandel (vgl. u.a. van der Heyden 2001; Weindl 2001; Stamm 2011a).

Die Errichtung des Kolonialstützpunkts Groß-Friedrichsburg an der Westküste Ghanas – damals "Gold"- oder "Guineaküste" genannt – basierte auf einem Abkommen von 1681, mit dem sich drei lokale Herrscher ("Cabusiers") gegen geringwertige Geschenke darauf einließen, Brandenburg-Preußen als Schutzmacht anzuerkennen und nur mit dieser Handel zu treiben. Sie stimmten auch der Errichtung einer Befestigungsanlage zu (Schück 1889, Bd. 2: 101 f. / Nr. 51b; van der Heyden 2001: 15 f.). 1683/84 wurden Verträge mit weiteren Cabusiers der Region abgeschlossen, welche die Vormachtstellung Brandenburg-Preußens in der Küstenregion formalisierten und Frondienste regelten (Schück 1889, Bd. 2: 155 ff. / Nr. 69, 205 f. / Nr. 86a und 222 f. / Nr. 89). 1685 wurde auch die Insel Arguin als weiterer Kolonialstützpunkt in Besitz genommen (van der Heyden 2001: 39 f.).

Der Versklavungshandel wurde als sogenannter Dreieckshandel organisiert. Für diesen wurden – überwiegend in der ostfriesischen Stadt Emden – unter kurbrandenburgischer Flagge fahrende Schiffe mit für den Tauschhandel geeigneten Gütern (u.a. Glasdosen, Textilien, Branntwein) ausgerüstet. Die Schiffe steuerten Handelsniederlassungen an der Westafrikanischen Küste an, um von afrikanischen Zwischenhändlern Sklaven zu erwerben. Das Hauptkontor der "Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie" in Westafrika war die Handelskolonie Groß-Friedrichsburg. Der Erwerb von Sklaven erfolgte jedoch hauptsächlich in Ouidah/Whydah (im heutigen Benin; Stamm 2011a: 392 f.). "Die Sklaven selbst waren entweder Kriegsgefangene aus innerafrikanischen Konflikten oder wurden von den afrikanischen Händlern … eigens dafür aus den innerafrikanischen Gebieten herbeigeschafft" (ebd.: 393). Es wurden zwar auch Salz, Getreide, Elfenbein und Goldstaub in Westafrika eingekauft, jedoch bildete der Sklavenhandel das wirtschaftliche "Fundament" der "Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie" (Schück 1889, Bd. 1: 331). Auf dem Rückweg von den "westindischen Inseln" nach Europa waren die Schiffe hauptsächlich mit Zucker und Baumwolle beladen (Stamm 2011a: 402).

Bereits aus den ersten Instruktionen des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm an die Kapitäne der beiden Schiffe des niederländischen Reeders Benjamin Raule, die 1680/81 unter kurfürstlicher Flagge und mit Seesoldaten des Kurfürsten eine Expedition an die westafrikanische Küste unternahmen, geht hervor, dass diese auch Sklaven kaufen und weiterverkaufen sollten. Sie sollten neben "raren" Tieren auch "ein halb Dutzend junge Sklaven von 14, 15 und 16 Jahren” erwerben, “welche schön und wohlgestaltet seien, um selbige an Unsern Hof zu übersenden" (Instruktion für den Kapitän Joris Bartelsen nach Angola und Guinea vom 7./17. Juli 1680", zit. nach Schück 1889, Bd. 2: 96; vgl. dazu u.a. van der Heyden 2001: 14).

Gemäß heutigem Forschungsstand wurden zwischen 1682 und 1714 rund 23.000 Sklaven von Schiffen der 1682 gegründeten "Brandenburgisch-Africanischen Compagnie“ nach Amerika, hauptsächlich auf die karibische Insel St. Thomas, transportiert, um sie dort an Plantagenbesitzer zu verkaufen (eine detaillierte Auflistung findet sich bei Stamm 2011a: 398-401). Zeitweilig war der "Anteil der Brandenburger am gesamten Sklavenimport in die Karibik" größer als der der Niederländer und Engländer (Weindl 2001: 68). Über den Versklavungshandel war Brandenburg-Preußen in das System des europäischen Kolonialismus eingebunden.

1717 verkaufte Friedrich Wilhelm I. die Kolonien an die niederländische WIC für 6000 Dukaten und 12 junge Schwarze (Schück 1889, Bd. 2: 573 / Nr. 189). 1719 übergab die WIC dem König die versklavten Jungen (ebd., Bd. 1: 308 & Bd. 2: 576 / Nr. 190; Stamm 2011a: 157).